
Manuel Bärtsch
Künstlerische Leitung
Freie Sicht aufs Mittelmeer?
„Was ist das Mittelmeer? Tausend Dinge auf einmal, nicht eine Landschaft, sondern unzählige Landschaften, nicht ein Meer, sondern eine Folge von Meeren, nicht eine Zivilisation, sondern übereinandergeschichtete Zivilisationen.“
Fernand Braudel
Die Idee dieses Slogans aus den 80er-Jahren ist bestechend: Die Berge abtragen, die uns Schweizern wie ein Brett vor dem Kopf die Sicht auf das Meer versperren; der freie Blick auf das Ferienparadies, das damals die Internationalität, das Unspiessige bedeutete. Wie frei ist unsere Sicht heute? Sicher, wir lieben immer noch Temperament, Sinnlichkeit, Licht, Duft und Klang des Mittelmeerraums, wir sehen ihn als faszinierende Begegnungsstätte der Kulturen, aber auch als Spannungsraum, der von Konflikten erschüttert und von Migrationsbewegungen geprägt wird. Lassen wir also für eine Saison die musikalischen Berge, die wir doch so liebgewonnen haben, beiseite und hören wir unserem Sehnsuchtsraum zu, der uns seit Jahrhunderten mit immer neuer, wunderbarer Musik überrascht.
herzlich
Ihr
Manuel Bärtsch
Macht und Individuum

Manuel Bärtsch
Künstlerische Leitung
„Das Kunstwerk ist eine imaginäre Insel, die rings von Wirklichkeit umbrandet ist.“
José Ortega y Gasset
Musik entsteht immer in einem sozialen Gefälle – auf der einen Seite steht die Macht, die die Lebensumstände diktiert, die Auftragsgeber*innen, die Inkarnationen des Zeitgeists, die Zwänge des Broterwerbs. Auf der anderen Seite steht das Individuum, das sich zu diesen Kräften verhält, zustimmt, zweifelt, sich ihnen entzieht, sich auflehnt. Daraus entsteht grossartige Musik, sei es in Revolutionen, aus Überzeugung oder Ablehnung, als Kompromiss, Anarchie oder in kunstvoller Akzeptanz der Umstände. Der Musiksommer 2024 zeigt ganz unterschiedliche Konstellationen dieser Beziehung. Ich freue mich, diese Konzerte mit Ihnen zu erleben!
(viel zu) naheliegend sind geographische und ethnische Definitionen, aber man kann auch intellektuell oder emotional eine Heimat finden; oder aber man ist bewusst überall zuhause. Überdies entsteht Kultur – und das können wir heute besonders gut beobachten – gewöhnlich an den Schnitt- , Kollisions- und Überlappungsgrenzen dieser Heimatbegriffe.
Nach den Zeitreisen der letzten Saison reisen wir also geographisch, intellektuell, kosmopolitisch und emotional durch die bunte Welt der Musik. Natürlich spielt dabei die Schweiz eine wichtige Rolle, sowohl als musikalisch noch zu entdeckendes Land als auch als Spannungspol zu anderen musikalischen Kulturen. Dieser Weg führt uns unter Anderem über Finnland, Persien, Griechenland, Japan auch in die musikalischen Welten von Gustav Mahler und Max Reger. Es ist mein Bestreben, Sie mit jedem Konzert neben dem ästhetischen Genuss auch zu überraschen: Neu in dieser Saison sind zum Beispiel eine Konzertlesung, eine musikalisch bespielte Ausstellung mit begehbaren Skulpturen und ein Konzert im Zürcher Lindenhof, wo man auch nicht alle Tage hineinkommt. Wie sagte Perikles? Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut
herzlich
Ihr
Manuel Bärtsch
Logbuch
Reflets dans le présent
Rapperswil, Kapuzinerkirche
Sonntag, 25. Mai, 19.30 Uhr. Einführung 18.30.
Werke von Claude Debussy (1862-1918), Toru Takemitsu (1930-1996), Hon Ning Cheung, Anton Koshelev, Luca Staffelbach
und Hyunsub Shin (Kompositionsklasse von Dieter Ammann)
Kompositionswerkstatt mit der Klasse von Dieter Ammann: Die seltene Kombination von Flöte, Harfe und Viola hat eine ganz eigene klangliche Wirkung. Die zauberhafte Akustik der Kapuzinerkirche betont das Schwebende, Irreale; man könnte mit dem sizilianischen Schriftsteller Andrea Camilleri sprechen: „Die Form des Wassers“. Wie die jungen Komponistinnen und Komponisten darauf reagieren?

Informationen
Eintritt frei, Kollekte
Protagonisten
Christoph Bösch Flöte
Estelle Costanzo Harfe
Friedemann Treiber Viola
meer balkan
Schloss Au, Wädenswil
Sonntag, 15. Juni, 17.00 Uhr. Einführung 16.00.
borsch4breakfast
Die Musik des östlichen Mittelmeers: Das Ensemble borsch4breakfast lässt sich von osteuropäischer Folklore, Balkan-Jazz und «Contemporary classical» inspirieren und kreiert ausgefallene Arrangements, die ihre vielfältigen musikalischen Hintergründe widerspiegeln: Serbisch, Rumänisch, Tschechisch und Deutsch.
Für den schönen Apéro riche: bitte benützen Sie den Vorverkauf oder melden Sie sich an!
Informationen
Eintritt 50.- inkl. Apéro riche
Protagonisten
Ratko Pavlović Akkordeon
Christoph Rehorst Kontrabass
Ionel Ungureanu Violine, Viola
Henrik Dewes Gitarre
…in tempi di guerra
Lindenhof, Zürich
Samstag, 28. Juni, 19.30 Uhr. Einführung 18.30.
Erich Itor Kahn (1905-1956): Ciaccona in tempi di guerra
Enrique Granados (1867–1916): Goyescas
Maurice Ravel (1875–1937): Gaspard de la nuit
Das Mittelmeer ist – gerade auch jetzt – eine Konfliktregion, in der das Schöne und Trauer, Poesie und die schwierige Realität, Witz und Tragik nahe beieinander wohnen. In diesem Konzert bilden wunderbar virtuose Klavierwerke und zeitgenössische syrische Poesie einen Dialog, der Vergangenheit und Gegenwart, Ästethik und Dramatik zusammenbringt.

Informationen
Eintritt: 50.-
Protagonisten
Kirill Zvegintsov Klavier
Morad Badrah Lesung
Divini occhi sereni
Kirche St.Peter und Paul, Insel Ufenau
Sonntag, 6. Juli, 14.00 Uhr. Einführung 13.00.
Werke von Philippe Verdelot (1480/85-1527/32)
Philippe Verdelot, von dem wir ausser seinen Madrigalen nur wenig wissen, ist ein Paradebeispiel für diesen Sog, der ihn im 16. Jahrhundert von Nordfrankreich nach Florenz führte. Er ist einer der Begründer der von uns als zutiefst italienisch empfundenen Madrigalkunst. Das in Galiläa gegründete Ensemble «I profeti della quinta» ist die Idealbesetzung für diese Musik.


Informationen
Eintritt: 40.-
Protagonisten
I profeti della quinta
Giovanna Baviera Canto, Viole
Doron Schleifer Alto
Jacob Lawrence Tenor
Elam Rotem Bass, Cembalo
Rubebe, rubechette e rubecone
Ritterhaus, Bubikon
Sonntag, 24. August, 17.00 Uhr. Einführung 16.00.
Werke u.a. aus den «Cantigas de Santa Maria», aus dem Codex Squarcialupi und dem «Cancionero del Palacio» sowie von Elena Ralli (*1984) und Abril Padilla (*1970)
Das Rabab war nicht nur ein überaus populäres Instrument der Mauren, sondern verbreitete sich im gesamten Mittelmeerraum. Das Ensemble Arcimboldo entführt uns mit rekonstruierten Instrumenten in diese Welt, und kontrastiert diese sinnliche Musik mit zeitgenössischen Kompositionen der Griechin Elena Ralli und der Franko-Argentinierin Abril Padilla.


Informationen
Eintritt: 40.- inkl. Apéro
Protagonisten
Ensemble Archimboldo
Grace Newcombe Sopran, Harfe
Félix Verry Alt-Rabab, Fidel
Thilo Hirsch Tenor-Rabab, Bass-Rabab, Tenor
Leonardo Bortolotto Bass-Rabab
Peppe Frana Plektrumlaute
Titus Bellwald Tar
Highlights aus der Opernwelt
Dienstag 9. September Feusisberg, Katholische KircheDienstag 9. September Feusisberg, Katholische KirchKae
Katholische Kirche Feusisberg
Dienstag, 9. September, 19.30 Uhr. Apéro 18.45.
Opernarien und Ensembles aus dem italienischen und französischen Repertoire
Die bewährte Zusammenarbeit mit der Kühne-Stiftung: Herausragende Nachwuchsstimmen des Internationalen Opernstudios Zürich präsentieren Arien und Ensembles aus italienischen und französischen Opern des 19. Jahrhunderts. Grosse Emotionen, Lyrik, Drama, Scherz und tiefere Bedeutung: Alles kulminiert in diesen Stücken. Wir hören die Stars von morgen.

Informationen
Eintritt frei, Kollekte
Protagonisten
Sängerinnen und Sänger des Internationalen Opernstudios der Oper Zürich
Adrian Kelly Leitung, Klavier
Bettagskonzert: Spuren einer musikalischen Reise
Einsiedeln, Klosterkirche
Sonntag, 21. September, 15.00 Uhr. Einführung 14.00, Treffpunkt 13.50, Gymnasiumspforte.
Werke von Josquin Desprez (ca. 1450–1521), Jean Mouton (vor 1459–1522), Sebastián Raval (ca. 1550–1604), Raffaela Victoria Aleotti (1575–nach 1646) und Ivan Lukačić (1587–1648)
Vernetzt sind wir nicht erst heute. Schon vor 500 Jahren bestand rund um das Mitt elmeer ein reger Austausch von Kompositionen, Musikschaff enden,
Stilen und Praktiken: Von Burgund nach Italien, von dort nach Spanien, Palermo und ins kroatische Split führt das Programm des Bettagskonzerts. Abt Urban Federer und der Pfarrer des Zürcher Fraumünsters, Johannnes Block, meditieren über die interkonfessionelle Bedeutung dieses Austauschs.

Informationen
Eintritt frei, Kollekte
Protagonisten
Ensemble Zenaida
Abt Urban Federer
Pfarrer Johannes Block
Die beiden Ufer
Rapperswil, Kunst(Zeug)Haus
Sonntag 19. Oktober 18.00 Uhr. Einführung 17.00.
Nikos Skalkottas (1904–1949): Fünf griechische Tänze
Ottorino Respighi (1879–1936): Quartetto dorico
Nehad El Sayed (*1975): Uraufführung
Das Streichquartett ist die Paradedisziplin des okzidentalen Komponierens, auch für die in mancher Hinsicht sich von diesen mitteleuropäischen Gepflogenheiten musikalisch unterscheidenden Länder Griechenland und Italien. Doch wie sieht es auf der anderen Seite des Meeres aus? Der in der ägyptisch-islamischen Kultur verwurzelte Komponist und Oud-Virtuose Nehad El Sayed kommentiert diese Stücke auf seinem Instrument; eine Uraufführung bringt die so unterschiedlichen Klangkulturen zusammen.

Informationen
Eintritt 30.-
Protagonisten
Loewe-Quartett
Nehad El Sayed Oud
Cultures of tolerance
Lachen, katholische Kirche
Samstag 25. Oktober, 17.00 Uhr. Einführung 16.00.
Referat von Dr. Sara Beimdieke im Joachim-Raff-Archiv:
14.00 Uhr (Anmeldung bis Vortag erforderlich)
Jüdische, christliche und muslimische Werke aus El-Andalus und den sefardischen Kulturen Europas und des ottomanischen Reiches
Das Ensemble Sarband ist eine Legende. Dieses von Vladimir Ivanoff geleitete Kollektiv hat sich international einen Namen gemacht durch seine Fusion von arabischen, christlichen und jüdischen Musiktraditionen zu einem ureigenen, umfassenden Musikstil. Das Konzert ist eine klingende Vision des friedlichen und inspirierenden Miteinanders der Kulturen und der drei mediterranen Religionen.
In einem nachmittäglichen Vortrag im Joachim-Raff-Archiv geht die Musikwissenschaftlerin Dr. Sara Beimdieke darauf ein, wie das aufkommende Kulturphänomen des Orientalismus im 19. Jahrhundert als Bühne für gesellschaftliche Diskurse, auf der Themen wie Nation oder Religion abgehandelt werden
konnten, diente. Anmeldung für Vortrag (bis Vortag): info@joachim-raff.ch



Informationen
Eintritt frei, Kollekte
Protagonisten
Ensemble Sarband
Vladimir Ivanoff Leitung
Dr. Sara Beimdieke Referat
Vergangene Konzerte
Algol – Tragödie der Macht
Rapperswil, Kunst(Zeug)Haus
Montag, 28. Oktober, 18.30 Uhr Lesung mit Charles Lewinsky, 20.00 Uhr Film & Konzert
Ein Stummfilm aus dem Jahr 1920 mit improvisierter Musik von heute, inmitten der Ausstellung «ARS TERMINI» mit zeitgenössischer Kunst, und ein Einführungsgespräch mit einem grossen Schweizer Schriftsteller: der komplexe Schlusspunkt der Reihe. Hans Werckmeisters grossartiger, erst vor kurzem restaurierter Film trifft auf die subtile Kunst des Jazztrompeters Tom Arthurs und die Ausstellung der IG Halle im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil, die sich um den Begriff «Ars termini» dreht: Die Kunst, auch die Absurdität von Grenzen. Grenzerfahrungen, auch Grenzüberschreitungen in visuellen, auditiven und kinematografischen Dimensionen gehen in diesem Konzert ineinander über. Die Zusammenarbeit mit dem Institute of Incoherent Cinematography ist für uns eine spannende Première.

Informationen
Eintritt: 30.-
Protagonisten
Charles Lewinsky Lesung
Tom Arthurs trumpet
Marta Zapparoli electronics
Michael Cina percussion
Hotel Walhalla
Halbinsel Au, Schloss
Sonntag, 6. Oktober, 17.00 Uhr. Einführung 16.00.
Geburtstagskonzert für Giovanni Bria
Programm und Mitwirkende: Überraschung
Der Gründer des Musiksommers wird 90! Viel Zeit ist vergangen, vieles hat er erlebt, von dem die meisten von uns nur aus Büchern wissen. Es ist also nicht nur Zeit, ihn zu feiern, sondern auch ihm zuzuhören: Giovanni Bria liest aus seiner lange angekündigten Autobiographie. Mächtige Institutionen wie Bayreuth spielen dabei eine grosse Rolle; da setzt die Musik an.
Informationen
Eintritt 50.- mit Apéro riche
Protagonisten
Giovanni Bria Lesung
Willi Zimmermann Violine
Ana Tyka Violoncello
Ryszard Groblewski Viola
Christian Hilz Bariton
Graziella Contratto, Manuel Bärtsch Klavier
Bettagskonzert: Panta rhei
Einsiedeln, Klosterkirche
Sonntag, 15. September, 15.00 Uhr. Einführung 14.00 (Treffpunkt 13.50 bei der Gymnasiumspforte).
Werke von Guillaume de Machaut (1300–1377), Hildegard von Bingen (1098–1179), Leo Dick (*1976, Uraufführung) und Heinrich Schütz (1585–1672)
Alles verändert sich: die Zeit, die Gesellschaft, die Spiritualität. Aus dieser uralten Erkenntnis schöpft das Werk vom Schweizer Komponisten und Musikdramatiker Leo Dick, das bei diesem Konzert uraufgeführt wird und den ganzen Raum der Klosterkirche mit einbezieht. Guillaume de Machaut, Diener vieler Herren im Hundertjährigen Krieg, Hildegard von Bingen, Äbtissin und Korrespondenzpartnerin der Mächtigen ihrer Zeit, und Heinrich Schütz, der herausragende Komponist des Dreissigjährigen Kriegs, eröffnen eine atemberaubende Perspektive in die Vergangenheit. Auf die Meditationen von Pater Lorenz Moser freuen wir uns besonders.


Informationen
Kollekte
Protagonisten
Ensemble Ardent
Patrick Secchiari Leitung
Pater Lorenz Moser Meditation
Highlights aus der italienischen und französischen Opernwelt
Feusisberg, katholische Kirche
Mittwoch, 4. September, 19.30 Uhr. Apéro 18.30.
Auch dieses Jahr kann sich das Publikum auf das bewährte Konzert in Zusammenarbeit mit der Kühne-Stiftung freuen: Der sängerische Nachwuchs des Internationalen Opernstudios Zürich präsentiert italienische und französische Opernarien und Ensembles. Die von Leiter Adrian Kelly handverlesenen Talente am Übergang zur Profikarriere bringen nicht nur die grossen Gefühle und das Pathos der Grossen Oper, sondern auch Leichtigkeit und Freude in die katholische Kirche Feusisberg. Für Unterhaltung auf höchstem Niveau ist gesorgt.



Informationen
Kollekte
Protagonisten
Sängerinnen und Sänger des Internationalen Opernstudios der Oper Zürich
Adrian Kelly Klavier
Ars subtilior
Bubikon, Ritterhaus
Sonntag, 25. August, 17.00 Uhr. Einführung 16.00.
Werke von Zacara da Teramo (ca. 1350/60–1413/16) und Johannes Ciconia (ca. 1370–1412)
Das 14. Jahrhundert war eine Zeit furchtbarer Heimsuchungen: Der Hundertjährige Krieg, der Schwarze Tod, Hungersnöte, die kleine Eiszeit und nicht zuletzt das sogenannte kleine Schisma, das sogar den Zugang zum Jenseits unsicher machte. Trotzdem (oder deswegen?) entstand grossartige, komplexe und spannende Musik. Es erklingen Werke, die für die Höfe zweier verfeindeter Päpste in Rom und Avignon geschrieben wurden, die sich im musikalischen Raffinement überbieten wollten. Das Ambiente des Ritterhauses erlaubt eine klingende Zeitreise ins Spätmittelalter mit seiner Zerrissenheit, seiner Dramatik und seiner Schönheit.

Informationen
Einritt: 40.-
Protagonisten
Ensemble Leones
Marc Lewon Laute, Quinterne, Leitung
Grace Newcombe Discantus
Matthieu Romanens Tenor
Marc Mauillon Contratenor
Baptiste Romain Vielle, Lira da braccio, Dudelsack
Uri Smilansky Vielle